Das Röhren der anrollenden Sechszylinder mischt die Schickeria in Sylts Aushängeschild Kampen ordentlich auf. Neben einigen privat umhegten 911 und 356-Modellen sowie zwei Porsche-Museumsexponaten versammelten sich auf Deutschlands nördlichster Insel ein paar besondere Sportwagen, die keiner Regel folgen wollen. Manche sind übersät mit Patina. Einige sind in tiefer und breiter Rennmontur gekleidet, andere tragen Dachgepäckträger samt Surfbrett.
Dann das knallrote Bobbycar fest verzurrt auf dem Zitronengelben G-Modell. Ein Schaltknauf mit eingeprägtem Y-E-E-E-H-A anstatt üblicher Gangfolge, das Werkzeug in der Louis Vuitton-Tasche, ein Dampfrad unterhalb des Armaturenbretts, das auf Wunsch 1.2 bar freisetzt und andere sonderbare Modifikationen sagen viel über deren Besitzer aus – und über das anstehende Event.
Jeder Angereiste hier liebt seinen Sportwagen, jeder möchte ihm seinen ultimativen Stempel aufsetzen, die eigene Handschrift. Doch aus dem Porsche gestiegen, muss sich jeder erst einmal die Frisur richten. Der Wind föhnt an diesem Wochenende unaufhörlich. Willkommen im Norden, willkommen bei Petro-Surf: Einer Clique von Surfern und Porsche-Enthusiasten aus ganz Deutschland. Für zwei Tage strömen sie aus allen Himmelsrichtungen auf die Nordseeinsel und frönen ihrer Leidenschaft für Porsche. Los geht es am Vorabend mit einem lockeren Barbecue bei Porsche auf Sylt.
2018 traf sich die Community zum ersten Mal. „Zum zweiten Akt hat sich die Teilnahme auch gleich mal verdreifacht“, rechnet Angelo Schmidt zusammen, einer der Köpfe hinter Petro-Surf.
Was Porsche denn mit Surfen zu tun hat, möchte auch gleich jemand aus dem Publikum im Kaamp Hüs, dem Epizentrum von Petro-Surf, wissen. „Nun, eine ganze Menge“, antwortet Thomas Bexon und fährt seinen Worten mit der Hand hinterher. „Mit meinem Board suche ich dieselbe Ideallinie einer Welle, wie ein Porsche-Fahrer sie in der nächsten Kurve sucht. Der Kick in einem beschleunigenden Porsche löst einen ähnlichen Adrenalinstoß aus wie der Ritt auf einem Surfbrett“, resümiert der 35-jährige Australier.
Bexon ist einer der wohl angesagtesten Longboard-Hersteller der jetzigen Zeitrechnung. Surfer aller bekannten Strände träumen davon, einmal auf einem seiner Bretter zu stehen. Auftraggeber aus der ganzen Welt fliegen Bexon ein, damit er ihnen das Board ihres Lebens formt. In Handarbeit entstehen dann Boards, die seinen Vornamen tragen: Thomas. Nächste Woche geht's nach Südkorea. Heute sitzt er auf einer kuscheligen Couch unter Reet neben dem Pop-Art-Künstler und Porsche-Enthusiast Richard Philips, dem Londoner Designer und Illustrator Stevie Gee sowie dem Porsche-Werksfahrer und Le Mans-Sieger Richard Lietz und schließlich Uwe Makrutzki, dem Leiter der Porsche Classic Werksrestaurierung.
Sie alle sind Teil des sogenannten „Experience-Talk“ von Petro-Surf. Sie alle sind Ken Hakes' und Angelo Schmidts' Aufruf nach Sylt gefolgt, um am zweiten Treffen von Petro-Surf teilzunehmen. Und sie alle verstehen sich. Surfen, Kunst und Porsche, das passt hier zusammen. Hake und Schmidt kennen sich von Kindesbeinen an. Natürlich haben sie sich beim Surfen getroffen. Während Schmidt sich vollends dem Surfen verschreibt und eine Surfschule auf Sylt eröffnete, zog es Hake in die Welt – nicht bevor er noch deutscher Meister im Wellenreiten wurde.
Irgendwann kehrt Hake wieder aus Kalifornien zurück nach Deutschland, kreiert in Hamburg sein eigenes Label „Marine Machine“ und findet seinen ersten Porsche 911 3.2 Carrera Typ 930. „Das mit der Porsche-Leidenschaft habe ich von meinem Vater. Er war einer der ersten auf der Insel Sylt, der hier einen Porsche besaß: jedoch nicht als Statussymbol. Er hat ihn sich hart erarbeitet. Das war 1963, ein 356 Super. Den, mit dem berühmten Fuhrmann-Motor. Mein erster Porsche-Moment hingegen war etwas schmerzhafter: Als kleiner Junge klemmte ich mir meine Finger in der Tür eines G-Modells ein. Die Schmerzen waren auf jeden Fall nachhaltig“, erzählt Hake mit einem zwinkernden Auge.
Erinnerungen und Momente mit einem Porsche stehen unweigerlich im Zentrum von Petro-Surf. Viele streifen um die ausgestellten Fahrzeuge herum, fachsimpeln, lassen sich inspirieren oder schwelgen in Erinnerungen. Sogar Longboard-Gott Bexon aus Australien hat einen Porsche-Moment parat: „Einmal holte mich mein Vater aus Sydney mit seinem weißen Porsche 944 Turbo von der Schule ab. Ich lebte in Queensland, einem kleinen Dorf. Ich erinnere mich noch genau an die Farbe des Interieurs: Burgundrot! Als ich das nächste Mal wieder zur Schule kam, sprachen mich alle auf den Porsche an“, erzählt Bexon.
„Irgendwann werde auch ich mir einen Porsche leisten. Ein 911 Typ 964 wäre großartig“, so Bexon. „Aber zunächst muss ich noch ein paar Boards bauen. In den letzten 11 Tagen habe ich 81 Stück geschliffen. Zum Schluss löste sich die Haut meiner Fingerkuppen. Ich merkte es erst, als die Boards langsam Rot wurden“, sagt Bexon und lacht. Typen, wie sie nur Petro-Surf hat. Besonders Hake weiß die Eigenarten seiner Gäste zu schätzen: „Trotz Regen und Sturm hat jeder ein Lächeln im Gesicht. Es sind viele tolle Fahrzeuge gekommen, mich interessieren aber besonders die Menschen dahinter. Bei Petro-Surf ist einer interessanter als der andere. Das liebe ich.“
Porsche Deutschland unterstützt das Event als Hauptsponsor. Marketingleiter Bastian Schramm findet sich auch unter den Gleichgesinnten. „Es ist spannend, was in der Szene gerade so alles passiert. Wir treffen bei Petro-Surf auf ein Publikum, das leidenschaftlich gerne luftgekühlte Porsche fährt. Gleichzeitig wird hier der coole Surf-Lifestyle zelebriert. Beide Welten verkörpern ein gemeinsames Lebensgefühl, das perfekt zu Sylt passt.“
Info
Text: Bastian Fuhrmann
Fotos: Vince Perraud, Ted Gushue, Laura Tiedtke