Der Aufschrei ist groß. Als Porsche 1967 den 911 erstmals mit halbautomatischem Sportomatic-Getriebe anbietet, verweigern sich nicht nur hartgesottene Puristen der Marke, auch die Fachpresse ist skeptisch. Selbst zurückhaltende Porsche-Genießer rümpfen die Nase. Das Weglassen des Kupplungspedals soll dem Komfort dienen. Komfort? In einem Sportwagen? Und dann auch noch zwei Sekunden langsamer von 0 auf 100 km/h als mit klassischem Handschalter? Vom höheren Verbrauch mal ganz abgesehen. Ein Verkaufserfolg jedenfalls wird die Sonderausstattung Sportomatic nicht.
Heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später. Kaum noch eine Spur von der anfänglichen Hysterie gegen die vermeintliche Fehlkombination von Sport und Automatik – und das hängt mit dem Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK) zusammen. Erste Versuche mit der neuen Technik ab 1980 münden 1986 in einem Vorzeigetyp, der seither konsequent weiterentwickelt wird.
Beim PDK sind die Gänge auf zwei Teilgetriebe verteilt, jedes verfügt über eine eigene Kupplung.
Beim PDK sind die Gänge auf zwei Teilgetriebe verteilt, jedes verfügt über eine eigene Kupplung – daher der Name. Die ungeraden und der Rückwärtsgang sind mit einer Kupplung verbunden, die geraden Schaltstufen mit der anderen Kupplung. Diese Technik ermöglicht vollautomatische Gangwechsel ohne Zugkraftunterbrechung.
Ähnlich einem Handschalter, werden die einzelnen Gänge über Schaltgabeln eingelegt; beim PDK geschieht das mittels computergesteuerter Elektrohydraulik. Das Resultat: eine Symbiose aus Hand- und Automatikschaltung. Die Eigenschaften Effizienz, Dynamik und Komfort sind im PDK in einzigartiger Weise kombiniert.
Trotz aller Alltagstauglichkeit: Das PDK kommt ab 1983 zunächst ausschließlich im Rennsport zum Einsatz. Dieser Getriebetyp bietet besonders in Verbindung mit Turbomotoren einen deutlichen Vorteil: Der Pilot kann im Schaltvorgang – anders als beim manuellen Getriebe – voll auf dem Gas bleiben, der Ladedruck des Turbos bleibt erhalten. Zugkraftunterbrechung? Fehlanzeige.
Bis zur Serienfertigung allerdings dauert es. Davor stehen zahlreiche Entwicklungsstufen der Steuerungselektronik. Der neuen Technologie sollen vor allem die ruppigen Schaltvorgänge abgewöhnt werden. 2008 bietet Porsche erstmals ein Siebengang-PDK optional im 911 Carrera sowie im 911 Carrera S an. Der Durchbruch kommt ein Jahr später mit der Weltpremiere der neuen Modellreihe Panamera. Die viertürige Sportlimousine ist 2009 der erste Porsche, in dem das PDK in einigen Varianten serienmäßig verbaut ist. Seit 2016 ist der Panamera ausschließlich mit dem sogenannten PDK II mit acht Gängen lieferbar. Über ebenfalls acht Gänge verfügt das PDK im neuen 911. Wie überhaupt der Trend bei Porsche-Fahrern – anders als noch 1968 – zunehmend zum automatisierten Getriebe geht.
75% – Liebling PDK
Mehr als drei Viertel aller ausgelieferten Porsche 718- und 911-Modelle sind heute mit einem PDK ausgestattet. Beim Panamera und Macan sind es sogar 100 Prozent – eine manuelle Schaltung wird in diesen Modellreihen nicht mehr angeboten. Ob acht Gänge im Panamera oder sieben im Macan: Das PDK bietet bei aller Sportlichkeit größeren Komfort und mehr Effizienz – eine Kombination, die ein handgeschaltetes Fahrzeug so nicht zu leisten vermag. Für den 911 GT3 RS etwa ist das PDK sogar noch sportlicher abgestimmt: mit kürzeren Übersetzungen, enger abgestuften Gängen und kurzen Schaltzeiten. Und die Puristen, für die trotz aller Vorteile des PDK nichts über eine Handschaltung geht? Kommen bei Porsche immer noch auf ihre Kosten – etwa beim neuen 911 Speedster, der ausschließlich mit manueller Schaltbox angeboten wird.
-0,4 Sekunden – Schneller beschleunigen
Bereits die erste Generation des PDK ermöglicht schnellere Schaltvorgänge. Verglichen mit dem konventionellen, zehn Kilogramm schwereren Automatikgetriebe Tiptronic S schaltet das ab 2008 für den Porsche 911 Carrera und Carrera S optionale PDK um bis zu 60 Prozent zügiger und ohne Zugkraftunterbrechung. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Beschleunigung. Der Porsche 911 Carrera mit siebengängigem PDK ist damals – im Modus Sport Plus – 0,4 Sekunden schneller als das Fahrzeug mit manueller Sechsgang-Schaltung. Beim allradangetriebenen 911 Carrera 4 von 2008 bedeutet das 4,6 statt 5,0 Sekunden – Vorteil: PDK.
Wie sehr Porsche sein Doppelkupplungsgetriebe von Generation zu Generation optimiert hat, zeigt der aktuelle 911 Carrera 4S. Bei ihm zählt das achtgängige PDK zur Serienausstattung, Gangwechsel erfolgen inzwischen in Millisekunden. Das Ergebnis: In 3,6 Sekunden beschleunigt der Sportwagen aus dem Stand auf 100 km/h, mit dem Sport Chrono-Paket sogar in nur 3,4 Sekunden (Kraftstoffverbrauch kombiniert 9,0 l/100 km; CO2-Emission 206 g/km). Das wäre mit einem manuell geschalteten Fahrzeug nicht zu schaffen.
-0,4 l/100 km – Effizienter unterwegs
Wie sehr das PDK auch positiven Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch nimmt, zeigt sich bereits bei seinem Debüt im Jahr 2008: Mit Sechsgang-Handschaltung verbraucht der 283 kW (385 PS) starke Porsche 911 Carrera S 10,6 Liter je 100 Kilometer – 0,4 Liter mehr als die entsprechende Version mit PDK. Der Mithilfe eines PDK ist es auch zu verdanken, dass ein Porsche 911 Carrera mit 9,8 l/100 km erstmals unter die Zehn-Liter-Marke gelangen konnte. Noch effizienter als sein Vorgänger arbeitet heute das PDK II – obwohl es 20 Kilogramm schwerer ist. Aber es muss auch ganz anderen Ansprüchen genügen. Dieser neu konstruierte Getriebetyp ist zudem auf den Einsatz in elektrifizierten Fahrzeugen ausgerichtet.
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche Kundenmagazin Christophorus, Nr. 391.
Text: Thomas Lötz
Fotos: Porsche